100 Jahre Rudolf Steiner – und was hat das mit Wein zu tun?
Wer war Rudolf Steiner?
Rudolf Steiner, geboren 1861 in Kraljevec (Österreich-Ungarn), war ein visionärer Denker und der Begründer der Anthroposophie. Er studierte in Wien Naturwissenschaften und Philosophie, und promovierte in Rostock zum Dr. phil. Ende des 19. Jahrhunderts arbeitete Steiner im Goethe-Archiv in Weimar und war während dieser Zeit Herausgeber der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes. Über die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft hat er unfassbar viele Vorträge und Bücher geschrieben. Puh – ich hoffe, er hat sich zwischendurch ein gutes Gläschen Wein gegönnt ;-)
Steiner begann 1913 mit dem Bau des ersten Goetheanum, einem in großen Teilen aus Holz gebauten Gebäude, welches als Zentrum für anthroposophische Aktivitäten dienen sollte. Es wurde erst 1919 fertiggestellt und bereits in der Silvesternacht des Jahres 2022 durch einen Brand zerstört. Kurz danach, im Jahr 1924, entwarf Steiner das zweite Goetheanum, das vollständig aus Beton bestehen sollte. Der Bau dieses zweiten Gebäudes wurde erst 1928 abgeschlossen, also nach Steiners Tod (30.3.2025). Das Goetheanum ist einen Besuch wert. Das imposante Gebäude ist heute ein lebendiger Ort für kulturelle Aktivitäten Vorträge und Konferenzen, die sich mit Themen wie Bildung, Landwirtschaft, Medizin und Kunst beschäftigen.
Was hat Rudolf Steiner mit dem Weinbau zu tun?
Steiner hat mit seinen revolutionären Ideen nicht nur die Philosophie und Pädagogik nachhaltig geprägt, sondern vor allem einen tiefgreifenden Wandel in der Landwirtschaft angestoßen – einen Wandel, der bis in die Weinberge reicht. Steiners Lehren eröffnen uns heute einen faszinierenden Blick auf die Natur als lebendigen Organismus, der weit mehr ist als nur eine Produktionsstätte. Auslösender Impuls war Steiners „Landwirtschaftlicher Kurs“ 1924 auf Gut Koberwitz in Schlesien. Es war die Begründung der biodynamischen Landwirtschaft.
Revolution im Garten und auch im Weinberg
Seine acht Vorträge und vier Diskussionsveranstaltungen vom 7. bis 16. Juni vor 130 Teilnehmern (Landwirte, Kleinbauern, Gärtner, Arbeiter, Lehrer, Großgrundbesitzer) auf Einladung von Carl Graf von Keyserlingk, gelten als Geburtsstunde der biodynamischen Landwirtschaft. Auch für den Weinbau war es das, und dabei ging es nicht allein um den Verzicht auf chemische Hilfsmittel, sondern um ein radikal neues Naturverständnis:
Der Weinbaubetrieb als lebender Organismus:
Steiner lehrte, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb ein pulsierendes, lebendiges System ist, in dem Pflanzen, Tiere und Menschen in einem dynamischen Zusammenspiel stehen. Diese Sichtweise öffnet den Blick dafür, dass auch Weinberge weit mehr als reine Rohstofflieferanten für Trauben sind – sie sind komplexe Ökosysteme.
Kosmische und natürliche Rhythmen:
Ein zentraler Aspekt seiner Lehre war der Einfluss von Mondphasen und kosmischen Rhythmen. Diese natürlichen Zyklen sollen den optimalen Zeitpunkt für Aussaat, Pflege und Ernte bestimmen. Gerade bei Weinreben, die sehr empfindlich auf ihre Umgebung reagieren, bieten diese Erkenntnisse eine faszinierende Möglichkeit, den Ausdruck des Terroirs zu intensivieren.
Natürliche Präparate:
Steiner entwickelte spezielle Präparate aus Kräutern, Quarz und Hornmist, die das Bodenleben stimulieren und die Vitalität der Pflanzen fördern. Solche Zusätze verleihen den Weinen eine wahre Tiefe, und unterstreichen auch die einzigartige Verbundenheit mit dem jeweiligen Standort.
© Götz Drewitz aus Vortrag "Biologischer und biodynamischer Weinbau":
Diese Prinzipien sind für den Weinbau besonders interessant, da sie den Wein zu einem authentischen Spiegelbild seines Terroirs machen – ein Wein, der die Geschichte, Energie und die natürlichen Rhythmen seines Ursprungsgebiets, sowie der Kultivierungsarbeit des Winzers erzählt.
Bereits 1928 wurde in Deutschland das Warenzeichen Demeter gegründet, welches wie kein anderes hinter den Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft und schonenden Verarbeitung steht. Der Name Demeter stammt von der griechischen Göttin der Ernte, Landwirtschaft, und des Ackerbaus. Seit 1997 gibt es Demeter International und umfasst bereits 1300 Weinbaubetriebe aus 22 Ländern. Bei Wein gibt es die Zertifizierung nach Demeter erst seit 2009. Mittlerweile gibt es für bio-dynamisch erzeugte Weine neben Demeter auch noch die Warenzeichen Biodyvin (Frankreich) und Respekt (Tschechien, Österreich, Slowenien, Italien).
Wie unterscheiden sich nun Bioweine (EU-ÖKO) und biodynamische Weine?
Um es kurz zu machen, hier nur die wesentlichen Hauptunterschiede auf den Punkt gebracht: Biodynamische Weine folgen deutlich strengeren Richtlinien als EU-Öko zertifizierte Bioweine:
- Beim Düngen werden nur biodynamische Präparate eingesetzt und der Einbezug von Tierdung ist Pflicht"
- Im Pflanzenschutz werden vorrangig pflanzliche Spritzmittel eingesetzt
- Schwefel wird bei der Weinherstellung gar nicht, oder nur in äußerst geringem Maße zugesetzt
Letztendlich sorgen biodynamisch arbeitende Betriebe für einen lebendigen, ganzheitlichen Hof. Laut Steiner ist am Pflanzenwachstum der ganze Himmel mit seinen Sternen beteiligt. So setzen biodynamisch arbeitende Winzer z.B. auch auf die Mondphasen, um ideale Arbeitszeiten für das Ernten, Beschneiden oder Düngen der Rebstöcke auszuwählen.
Ich habe großen Respekt vor Weinbaubetrieben, welche diese Leidenschaft für das Kulturgut Wein aufbringen. Wenn Winzer und Konsument durch einen besonderen Geschmack und Genuss ihrer individuellen Weine belohnt werden können, dann haben wir ein großes Ziel erreicht. Diese großartigen Weine werden nicht einfach nur konsumiert; sie werden mit einer tiefen Wertschätzung für das leidenschaftliche Kultur-Handwerk und die Rücksicht auf die Natur genossen.
Kritische Perspektiven: Hinterfragen von Steiners Methoden
So inspirierend Steiners Ansätze auch erscheinen mögen, gibt es auch kritische Stimmen, die seine Methoden hinterfragen.
Kritiker bemängeln, dass viele von Steiners Konzepten – etwa der Einfluss kosmischer Rhythmen und die Wirksamkeit der speziellen Präparate – auf esoterischen Annahmen beruhen, die nicht durch umfassende wissenschaftliche Studien belegt sind. Insbesondere wird der Einfluss von Mondphasen und planetarischen Bewegungen auf das Pflanzenwachstum oft als symbolisch und weniger empirisch fundiert angesehen. Auch wenn zahlreiche Winzer von positiven Effekten berichten, fordern viele Wissenschaftler strengere, evidenz-basierte Untersuchungen, um die tatsächlichen Vorteile biodynamischer Verfahren eindeutig zu verifizieren. Diese Diskussionen zeigen, dass Steiners Ansätze weiterhin ein Spannungsfeld zwischen traditioneller Weisheit und moderner Wissenschaft darstellen – ein Feld, in dem sich Befürworter und Skeptiker begegnen.
Fazit: Genuss und Leidenschaft im Mittelpunkt
100 Jahre nach Rudolf Steiners bahnbrechenden Impulsen hat sich die Biodynamik im Weinbau als fester Bestandteil der nachhaltigen Landwirtschaft etabliert. Steiners Landwirtschaftlicher Kurs lehrte uns, die Natur als ein in kosmischen und natürlichen Rhythmen schwingendes, lebendiges System zu begreifen. Diese Philosophie findet ihren Ausdruck in den Weinbergen weltweit.
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Letztlich zählt aber vor allem eines: Die Weine müssen den Weinliebhabern einen wunderbaren Genuss bereiten und mit dem guten Gefühl verbinden, ehrliche Weine aus gesunden Weinbergen von leidenschaftlichen Winzern zu erhalten. Unterstützt durch Netzwerke wie Demeter, Respekt und Biodyvin, verkörpert jeder biodynamische Wein nicht nur das Terroir, sondern auch die Leidenschaft und das Engagement der Menschen, die ihn mit Liebe und Sorgfalt erschaffen haben.