PIWI-Weine: Die Zukunft im Glas
Weine, die mehr können
Nachhaltigkeit ist auch im Weinbau kein Trend, sondern Notwendigkeit. PIWI-Reben sind eine echte Innovation: pilzwiderstandsfähig, ressourcen-schonend und voller Geschmack. Höchste Zeit, sie kennenzulernen!
Was sind PIWI-Rebsorten eigentlich?
Stell dir vor, Reben könnten sich von selbst gegen Pilzkrankheiten wie Mehltau schützen – genau das können PIWI-Reben. Der Name klingt technisch, steht aber für eine einfache und zukunftsweisende Idee:
PIWI = pilzwiderstandsfähige Rebsorten.
Diese Reben sind Kreuzungen aus klassischen Edelsorten (z. B. Riesling, Cabernet) und widerstandsfähigen Wildreben. Sie vereinen das Beste aus beiden Welten: hohe Weinqualität und natürliche Resistenz gegen Pilzkrankheiten.
Das Ergebnis: Weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Traktorfahrten, geringerer CO₂-Ausstoß und mehr Nachhaltigkeit im Glas.
Warum PIWIs gerade für den Bioweinbau so wichtig sind
Bio-Winzer stehen vor einer großen Herausforderung: Sie dürfen keine synthetischen Pflanzenschutzmittel einsetzen, gleichzeitig gelten Reben als besonders anfällig für Pilzkrankheiten wie Peronospora (Falscher Mehltau), Oidium (Echter Mehltau) oder Botrytis (Grauschimmel).
Dazu kommt: Der Klimawandel verschärft das Problem. Mehr Wärme, mehr Feuchtigkeit und mehr Pilzdruck bringen die Winzer in Not.
Die groß angelegte Vitifit-Studie zeigt:
PIWI-Reben können den Pflanzenschutzbedarf um bis zu 80 % senken und die Pilzkrankheiten weitgehend vermeiden.
Das ist ein enormer Gewinn für Umwelt, Biodiversität und den ökologischen Fußabdruck des Weinbaus und zugleich von großer Bedeutung, um den ökonomischen Herausforderungen des Weinbaus zu begegnen.
Die Geschichte der PIWIs
Die Idee pilzwiderstandsfähiger Rebsorten ist über 100 Jahre alt. Schon früh träumten Winzer und Wissenschaftler in Deutschland und Frankreich davon, die edlen, aber empfindlichen Reben der Sorte Vitis vinifera mit robusten Wildreben zu kreuzen.
Doch die ersten Züchtungen enttäuschten: Die Weine schmeckten oft unausgewogen, die Akzeptanz blieb gering.
Der Durchbruch kam 1994 mit der offiziellen Zulassung der roten Sorte Regent. Endlich verband eine PIWI-Sorte Qualität und Widerstandskraft. Es folgten weitere Meilensteine:
- Johanniter (1996)
- Solaris (2001)
- Cabernet Blanc (2004)
- Souvignier Gris (2006)
Ein neuer Weg war geebnet – und mit ihm eine kleine Revolution im Weinbau.
Züchtung: Wie eine neue PIWI-Rebsorte entsteht
Die Züchtung beginnt mitten im Weinberg zur Rebblüte im späten Frühling. Mit Pinzette und ruhiger Hand entfernen Züchter die Blütenkäppchen und Staubgefäße der Rebe, sodass nur der weibliche Teil übrig bleibt. Dieser wird gezielt mit Pollen einer ausgewählten Vaterrebe bestäubt und anschließend durch eine Tüte vor Fremdbestäubung geschützt.
Im Herbst reifen die gekreuzten Trauben. Ihre Kerne werden entnommen, gereinigt und ausgesät. Aus Tausenden solcher Samen wachsen Sämlinge heran – jede Pflanze ein mögliches Unikat mit dem Potenzial zur neuen Rebsorte.
Nur die vitalsten Jungpflanzen überstehen die nächsten Jahre im Freiland. Getestet wird auf:
- Widerstandsfähigkeit gegen Pilzbefall
- Toleranz gegenüber Trockenheit, Hitze und Frost
- Wuchsform, Ertrag und Traubenqualität
Nach intensiver Selektion bleiben vielleicht 10 bis 20 Kandidaten übrig. Von ihnen werden erste Weine gekeltert. Und erst nach vielen weiteren Jahren der Beobachtung, Verkostung und Praxisversuche entscheidet sich: Hat diese Sorte das Zeug zum Marktstart?
PIWI-Pioniere: Das Bio-Weingut Rummel
Einer der Pioniere dieser Arbeit ist das Bio-Weingut Rummel in der Pfalz. Seit Ende der 1990er-Jahre arbeiten Klaus Rummel und seine Familie gemeinsam mit Valentin Blattner (Schweiz), Volker Freytag (Speyerdorf) und weiteren Enthusiasten an der Entwicklung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten.
Mit viel Geduld und Idealismus trugen sie dazu bei, Sorten wie Cabernet Blanc zur Marktreife zu bringen – damals noch unter dem Namen VB 91-26-01, intern liebevoll „der 1er“ genannt.
Heute zeigt sich, wie wichtig nicht nur die Züchtung, sondern auch die Namensgebung ist:
Statt technischer Kürzel setzen PIWI-Züchter zunehmend auf kreative, klangvolle Sortennamen, die Wiedererkennung schaffen und Konsumenten emotional ansprechen.
PIWIs weltweit – eine internationale Bewegung
PIWIs werden längst nicht mehr nur in Deutschland gezüchtet (z. B. in Freiburg, Geisenheim, Siebeldingen, Weinsberg), sondern auch in:
- Italien
- Frankreich
- Schweiz
- Osteuropa
- USA und Kanada
Neue Sorten wie Muscaris, Sauvignac, Cabertin oder Satin Noir zeigen das Potenzial dieser Reben: robust, elegant, terroirnah und international gefragt. Einige haben bereits renommierte Weinpreise gewonnen.
Marktdaten: Noch klein, aber stark im Wachstum
PIWIs gelten (noch) als Nischenprodukt. Doch die Zahlen sprechen eine klare Sprache:
-
2024: rund 3.500 Hektar PIWI-Rebfläche in Deutschland
→ +10 % gegenüber dem Vorjahr
→ 3,5 % der gesamten Rebfläche -
Souvignier Gris ist die am stärksten wachsende PIWI-Sorte
→ +208 Hektar in nur einem Jahr
→ Insgesamt 600 Hektar - Auch der ökologische Weinbau wächst:
→ 15.300 Hektar Ökofläche (2023)
→ +11 % zum Vorjahr
→ 15 % der deutschen Rebfläche sind ökologisch bewirtschaftet
PIWI im Glas – so schmecken sie
Hier ein paar Beispiele für PIWI-Weine, wie du sie auch im Shop finden kannst:
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Cabernet Blanc
Trockener Weißwein mit lebendiger Säure, Aromen von Stachelbeere, grüner Paprika und Zitrusfrüchten. Frisch, würzig, markant – erinnert an Sauvignon Blanc. -
Souvignier Gris
Vielschichtiger Weißwein mit Aromen von reifer Birne, Melone und exotischer Frucht. Harmonisch, leicht cremig, mit feiner Würze. -
Regent
Dunkler, fruchtbetonter Rotwein mit reifer Kirsche, Brombeere und einem Hauch Schokolade. Vollmundig, weich und samtig. -
Cabertin
Kraftvoller Rotwein mit dunkler Frucht, feinen Tanninen, Cassis und pfeffriger Würze. Elegant wie ein Cabernet, aber mit moderner Frische.
PIWI-Weine stehen klassischen Sorten geschmacklich in nichts nach. Im Gegenteil – sie eröffnen oft neue Aromawelten und sorgen für echte Überraschungen im Glas.
Ein Glas Zukunft
PIWI-Weine sind mehr als ein Trend. Sie sind eine echte Antwort auf die Herausforderungen des modernen Weinbaus. Für Winzer bedeuten sie weniger Pflanzenschutz und mehr Nachhaltigkeit. Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeuten sie Wein mit gutem Gewissen und vollem Genuss.
Probiere doch mal bewusst eine PIWI-Sorte, die du noch nie gehört hast. Vielleicht entdeckst du deinen neuen Lieblingswein und gleichzeitig ein Stück Zukunft im Glas.
Die PIWI-Rebsorte Muscaris als prickelnder Perlwein ausgebaut